Valdivia-Ehemaligentreffen in Calau: Anwandters Erben bauen Brücken über der Atlantik

Erstmals fand in Deutschland ein Treffen ehemaliger Schüler und Lehrer der Deutschen Schule Valdivia statt. Die Feier in Calau erinnerte auch an Carl Anwandter und die Schulgründung vor 155 Jahren. 4064_p10

An den Deutschen Schulen in Chile ist es guter Brauch, alle fünf Jahre ein Treffen ehemaliger Schüler und Lehrer zu organisieren. Diesen Gedanken griff der ehemalige Schüler Christian Meller aus Tübingen auf und organisierte gemeinsam seiner Schulkameradin Andrea Stegmaier aus Düsseldorf erstmals ein solches Treffen auf deutschem Boden. Via Internet, über die Botschaft sowie den Konsulaten verbreitete sich die Nachricht zu dieser außergewöhnlichen Idee schnell unter den ehemaligen Absolventen der Deutschen Schule in Valdivia, dem Instituto Alemán Carlos Anwandter.

Mit Hilfe von Calaus Bürgermeister Werner Suchner und Erika Pantzer vom Freundeskreis Calau–Valdivia konnten sowohl die Lokalität zum Feiern als auch ein Tagesablauf organisiert werden. Unterstützt wurden sie vom ehemaligen Schulleiter Jürgen Schaffer (1981 bis 1986). In einem Grußwort schrieb er:

«Die Idee, fern der Heimat zum 155. Jubiläum der Gründung der Deutschen Schule Carl Anwandter ein Ehemaligentreffen zu organisieren, fand ich genial. Viele von euch haben wertvolle Erinnerungen an die Schule und für viele mag die bilinguale und bikulturelle Erziehung den Grundstein für ein Leben in Deutschland gelegt haben. Durch die Wahl von Calau für das erste Treffen dieser Art in Deutschland ehrt ihr den Gründer unserer Schule in Chile und ein große Persönlichkeit, die auch hier nie vergessen wurde.»

Mehr als 50 Ehemalige machten sich auf nach Calau. «Als direkter Nachkomme Anwandters war ich natürlich schon mal in Calau und wusste um die Aktivitäten der Stadt», sagte Maria Elena Nuss Anwandter de Müller aus Berlin. Andere fuhren aufs Blaue in die Niederlausitz. «Ich kannte zwar den Kalauer, aber ich wusste weder, dass der hier entstanden ist, noch dass es hier soviel über Anwandter zu erfahren gibt», erklärte Erica Rauch aus Marburg.

Ähnlich erging es Lehrer Georg Hellner aus Arnsberg in Westfalen, der für jeweils fünf Jahre als Deutschlehrer in Valdivia und Valparaíso tätig gewesen war. «Ich bin mächtig erstaunt, dass diese Geschichte so eindrucksvoll dokumentiert wurde»,, so der 77-jährige ehemalige Lehrer, der in Calau viele seiner Schüler wieder traf.

«Calau? – Ich dachte erst der Ort liegt in Peru!», scherzte Andreas Russegger aus Bad Homburg. Seine Ehefrau Brigitte Skalweit ging einst in Valdivia zur Schule. Die weiteste Anreise mit mehr als 1.000 Kilometern hatte Anna Maria Oehrens Toledo. Die Medizinerin reiste aus dem belgischen Brüssel nach Calau, um mit ihren Schulabsolventen den Festtag der Schulgründung zu feiern.

Dabei war auch der chilenische Botschafter Jorge O´Ryan Schütz mit seiner Ehefrau Christina. Er war überwältigt vom Empfang seiner Landsleute in Calau und rief dazu auf, diese Brücken auf vielfältigste Weise weiter zu bauen. Bestes Beispiel ist hier der Calauer Torsten Richter, der in Valdivia studierte und heute auch dort lebt. Sein Vater Siegmund war nach einem Besuch im Andenland so angetan, dass der Hobbymaler viele Motive aus Chile für seine Bilder verwendet, die es auch im Rathaus zu sehen gab.

Natürlich durfte der Besuch der Carl-Anwandter-Ausstellung nicht fehlen. Erika Förster führte die Gäste in zwei Gruppen. Besonders angetan zeigten sich Barbara und Erwin Schwalbach aus Uelzen. Er war völlig überrascht, dass in Calau eine Schulchronik aus Valdivia lag, in der Sein Vater und Großvater erwähnt werden. Zum Schluss hinterließ Erwin Schwalbach den Calauern für das Museum eine Original-Festschrift vom 100-jährigen Schuljubiläum von 1958.

Parallel zum Besuch im Museum stellte Bürgermeister Werner Suchner den Gästen die Stadt vor. Dabei hatte er Unterstützung durch Renate Spengler, die in Spreewaldtracht das regionale Umland und den Spreewald vorstellte. Und auch der Calauer Schusterjunge, das witzige Calauer Original, durfte nicht fehlen. Schließlich ist ja Calau die Geburtsstadt der berühmten Kalauer Witze.

Sabine Hess von Freundeskreis Calau–Valdivia erinnerte noch einmal an den Beginn des Schüleraustausches im Jahr 1996. Dann gab es schließlich eine Live-Video-Schaltung zum Fest der Schule in Valdivia, das mit fünf Stunden Zeitverschiebung und etwa 1.000 Gästen stattfand. So konnten in Calau die Festrede aus Valdivia auf der Leinwand verfolgt und sehr emotional Grüße an Eltern und Geschwister sowie an die ehemaligen Schulfreunde übersandt werden. «Ich habe meine Mutter und meine Schwester gegrüßt», freute sich Roberto Ebert, der zur Zeit an der Chilenischen Botschaft in Berlin arbeitet.

 

Von Stephan Uhlig

 

Carl Anwandter

Carl Anwandter (1801-1889) lebte als Apotheker von 1829 bis 1850 in Calau, war Stadtkämmerer, später Bürgermeister und Gesandter der Niederlausitz zum preußischen Parlament. Nach der Niederschlagung der bürgerlichen Revolution 1848/49 wanderte er nach Valdivia in Chile aus, gründete am 1.Oktober 1858 die erste Deutsche Schule und baute später die größte Brauerei Südamerikas, Apotheken sowie die Feuerwehr auf. Seine Pionierarbeit wird seither sowohl in Chile als auch Calau (Anwandter-Schule, Museum, Anwandter-Straße, Anwandter-Apotheke) nach wie vor in Ehren gehalten.

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